Meine ersten Arbeitstage in der Schweiz
Anfangs und auch heute noch fühle ich mich überfordert. Mein Berufstitel wird nicht anerkannt, alles schien und ist chaotisch.
Doch gerade dieses Chaos hat mir gezeigt, was wirklich zählt: Verantwortung übernehmen – für meine Entscheidung, für meine Arbeit am Patienten, für meine Beziehungen zu meinem Partner, Familie & Freunde, mein Leben – für mich.
Meinen deutschen Job als Referentin für Dentalhygiene hatte ich 2023 gekündigt. Zum ersten Mal seit Jahren hatte ich Zeit für mich. Keine Lernphasen mehr, keine Wochenendarbeit, keine zusätzliche Kursverantwortung. Mein Studium war abgeschlossen – ich konnte mich auf das konzentrieren, was mir Freude macht: So entschied ich mich wieder mit Patienten zuarbeiten, nichtmehr mit Teilnehmenden in Seminarräumen. Diesen Job am Patienten führe ich seither drei Tage die Woche durch.
Als Neubürgerin mit B-Arbeitsbewilligung meldete ich mich 2023 in Zürich beim Stadthaus an. Seither lebe ich in einer befristeten Untermiete – nicht weit vom Zürichsee entfernt.
Natürlich war der Start nicht leicht. Plötzlich hatte ich Zeit. Manchmal sogar so viel, dass es mir schwerfällt, wirklich gar nichts zu tun, Stille zu akzeptieren und Langeweile zu schätzen. Aber genau das ist das Geschenk dieses Wechsels: Mein Learning: Es geht nicht ums Geld oder einen Status. Es geht um Zeit. Um Leben.

Montag und Freitag habe ich frei. Auszeit im Berner Oberland, 2025
Ich arbeite in einer Zahnarztpraxis direkt am Opernhaus, Kreis 1 in Zürich. Die Praxis ist eine Wohlfühlpraxis. Dennoch fehlte Struktur, Mitarbeiter und die Dentalhygiene lief oft nur nebenbei durch den Zahnarzt. Es gab und gibt also viel zu tun.
Ein besonderes Erlebnis war, als wir das Lager aufgeräumt haben. Überall alte Geräte, Akten und Materialien aus den letzten Jahrzehnten. Ich habe das Gefühl, dass genau in diesen Momenten das Herz der Praxis sichtbar wurde – und dass ich Teil davon bin, Ordnung in das Chaos zu bringen.

Schritt für Schritt begann sich alles zu entwickeln:
- Neue Erfahrungen: Ich habe das Miswak-Holz kennengelernt und iTOP für die Dentalhygiene ausprobiert. Dabei lerne ich, Selbstverantwortung bei den Patienten zu wecken.
- Personalisierte Patientenbetreuung: Jede Behandlung wird individuell angepasst – eine spannende Herausforderung, die mir Freude macht.
- Positive Entwicklung: 2025 hat sich alles verbessert: volles Terminbuch, neues Praxisdesign, neue Kollegin als Dentalhygienikerin, mehr Geld und ein stabilerer Alltag.
Ich wachse täglich, lerne dazu – und genieße die Balance zwischen Beruf, Leben und Zeit für mich selbst.

Zahnarztpraxis Thilo Grauheding. Leuchtturmpraxis der SWAK Zahnpflege, 2023
Was ich gelernt habe über Anerkennung und Grenzen setzen
Anfangs dachte ich, Anerkennung wünsche ich mir vom aussen – von Vorgesetzten, Kollegen, Patienten. Doch als ich zum ersten Mal Ruhe hatte, wirklich Ruhe, merkte ich: Anerkennung entsteht in mir selbst. Und die gebe ich mir zu selten. Ich setze mich zu sehr unter Druck, habe zu hohe Erwartungen.
Ich habe immer noch chaotische Tage, schwierige Phasen, Zweifel. Aber ich habe auch einen Herzensort gefunden – eine Praxis, die zwar ständig im Wandel ist, aber ehrlich bleibt. Ein Ort, an dem ich so akzeptiert werde, wie ich bin.
Und das tut unglaublich gut.
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